Forum 1
Die Erwartungshaltung an die Digitalisierung könnte kaum höher sein: 97,5 Prozent der Teilnehmer des ersten Dialogforums mit der Fragestellung „Chemie 4.0 – Digitalisierung als Beschleuniger für mehr Nachhaltigkeit?“ waren der Ansicht, dass die Digitalisierung mehr Ressourcenschonung in der Chemieindustrie ermöglicht.
Gut 65 Prozent sahen die Digitalisierung als wesentlichen Innovationstreiber für ein nachhaltigeres Gesundheitssystem. Worauf beruht diese positive Einstellung? Und welche Rahmenbedingungen braucht es, damit sich die Potenziale entfalten können? Antworten wurden im Dialogforum diskutiert.
Ein erster Befund: Die Digitalisierung beschleunigt Forschung und Entwicklung enorm. Denn, so Dr. Martin Strohrmann, Senior Vice President bei der BASF, mit der Digitalisierung könnten die komplexen Zusammenhänge in natürlichen Lebensräumen in völlig neuer Qualität erfasst und miteinander verknüpft werden. Wie wirken sich neue Pflanzenschutzmittel auf Mensch und Umwelt aus? Wie lässt sich ein neues Material biologisch abbauen – sowohl im Boden als auch im Meer? Wofür es früher unzähliger Experimente bedurfte, könne heute in einem sehr frühen Stadium mit Hilfe digitaler Modelle bewertet werden.
Dr. Kora Kristof, Leiterin Grundsatzabteilung Nachhaltigkeitsstrategien im Umweltbundesamt, unterstrich ebenfalls dieses Potenzial. Digitalisierung erlaube es, Nachhaltigkeitsfragen zur Entwicklung, Produktion und zum Konsum bestimmter Produkte viel frühzeitiger nachzugehen und darauf Lösungen zu erarbeiten. Damit sich dieses Potenzial aber entfalten kann, dürfe die Politik nicht zu kleinteilig regulieren. Politik müsse vielmehr klare Zielsetzungen zu den Themen Emissionsneutralität, Ressourceneffizienz und soziale Gerechtigkeit definieren. In einem zweiten Schritt sollten dann Experimentierräume eröffnet werden. „Das ist aber noch wenig geübt und führt zu einer anderen politischen Kultur“, so Dr. Kora Kristof.
Auf Ressourceneffizienz zielt die Packwise GmbH in besonderer Weise ab. Das Start-up bietet Lösungen, um Industrieverpackungen effizient wiederzuverwenden und deren Lebenszyklus deutlich zu verlängern. Notwendig dafür ist umfangreiches Wissen, wo beispielsweise Fässer entleert werden, wofür sie genutzt wurden und in welchem Zustand sie sich befinden. Lars von Schweppenburg, Head of Sales von Packwise, unterstrich auch die klimapolitische Bedeutung: Deutschlandweit würden pro Jahr beispielsweise 24 Millionen Fässer entleert – bei Verwendung eines wiederaufbereiteten Stahlfasses lägen die CO2-Einsparungen bei 26 Kilo.
Das Thema Gesundheitswirtschaft eröffnete Peter Albiez, Vorsitzender der Geschäftsführung von Pfizer Deutschland. Sein Credo: „Wir müssen uns der besseren Versorgung der Patienten als zentrales Ziel der Digitalisierung verschreiben.“ Als Beispiel nannte er die Diagnose von Herz-Kreislauf-Risiken. Bisher geht das nur im Rahmen von EKG-Untersuchungen, die über mehrere Stunden beim Arzt erfolgen. Künftig wird es dafür mobile Lösungen geben: Mit einem handtellergroßen Device, das man sich auf die Brust kleben kann, lassen sich alle Herzdaten kontinuierlich erfassen und in Echtzeit zur Diagnose weiterleiten.
Letztlich führen diese Innovationen zu einer völlig neuen Qualität von Transparenz. Das sei auch einer der wesentlichen Gründe, so Dr. Gottfried Ludewig, Abteilungsleiter Digitalisierung und Innovation im Bundesgesundheitsministerium, weshalb die Digitalisierung radikale Änderungen im Gesundheitswesen hervorrufen werde. Die Frage der Datensicherheit spiele dabei eine wichtige Rolle: Dabei plädiert Ludewig für einen pragmatischen Ansatz: „Wir müssen gestalten, anstatt verwalten. Und wir müssen aufpassen, dass Deutschland kein gallisches Dorf der Verweigerer wird.“ Ein Verweis auf die hohe Dynamik rund um das Thema Digitalisierung in anderen Teilen der Welt.