EINSTIEG IN DIE NACHHALTIGKEITS­BERICHTERSTATTUNG

Mit der nationalen Umsetzung der europäischen Richtlinie zur CSR-Berichterstattung rückt die nichtfinanzielle Berichterstattung in den Fokus. Auch Kunden, Finanzinstitute, Nichtregierungsorganisationen, Anwohner und die Öffentlichkeit erwarten mehr Nachhaltigkeitsinformationen von den Unternehmen.

Bis heute sind es vor allem große, meist börsennotierte Unternehmen, die freiwillig über ihre Nachhaltigkeitsleistung berichten. Zunehmend fragen sich aber auch kleine und mittlere Unternehmen, ob und wie sie berichten sollten. Vor diesem Hintergrund hat die Nachhaltigkeitsinitiative Chemie³ einen Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt, der insbesondere mittelständischen Unternehmen einen unkomplizierten Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung ermöglicht. Dieser Leitfaden wurde im Rahmen einer Fachveranstaltung vorgestellt, zu der Chemie³ am 11. November 2015 die Mitglieder von VCI, IG BCE und BAVC nach Frankfurt eingeladen hatte.

Nur wer zuhört, kann verstehen, und nur wer versteht, kann entsprechend handeln und darüber berichten. Aus Transparenz entsteht Akzeptanz und daraus Vertrauen. So brachte VCI-Hauptgeschäftsführer Dr. Utz Tillmann die Bedeutung des Dialogs mit dem gesamten Umfeld – nach innen in die Unternehmen hinein wie nach außen – auf den Punkt. Und so gehe es in der Veranstaltung sowohl um die Erwartungen des Umfelds an die chemische Industrie als auch um bestehende Anforderungen und die vielfältigen Möglichkeiten der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die chemische Industrie könne mit ihren Produkten und Innovationen wesentlich dazu beitragen, Antworten auf die wichtigen Fragen der Gesellschaft zu finden. Die Stärke der Initiative Chemie³ liege insbesondere darin, dass die angesprochenen Themen nicht hierarchisch angegangen, sondern von Management und Mitarbeitern gleichermaßen getragen würden.

Der Chemie³-Leitfaden

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand der Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, den Chemie³ mit Unterstützung der Beratungsfirma Schlange & Co. entwickelt hat. Mitglieder von VCI, IG BCE und BAVC können den Leitfaden im Mitgliederbereich in der Rubrik „Tools“ herunterladen. Andreas Zamostny, Geschäftsführer von Schlange & Co., erläuterte, wie ein einfacher Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung unter Nutzung vorhandener Informationen aussehen kann. Mit dieser Chemie³-Basisberichterstattung, die in der Regel zu einem acht- bis zehnseitigen Bericht führe, sei ein niedrigschwelliger Einstieg möglich, so Zamostny. Auf dieser Basis könne man dann aufbauen, wobei jedes Unternehmen für sich entscheiden solle, ob und wie es berichte. Wichtig sei es, nicht nur zu zeigen wie man Nachhaltigkeit manage, sondern neben Stärken auch Schwächen offenzulegen. Nicht zuletzt sollen die Informationen für die Stakeholder schnell auffindbar sein.

Erwartung der Stakeholder

Welche Erwartungen die Stakeholder an die Branche haben, erläuterte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Germanwatch, Anne-Kathrin Kirchhof. Sie betonte, wie wichtig die Einhaltung der Menschenrechte insbesondere in der Lieferkette sei. Außerdem erläuterte sie die Forderungen ihrer Organisation an eine verschärfte Umsetzung der europäischen Richtlinie zur CSR-Berichterstattung in deutsches Recht. Die anschließende Diskussion, die sich unter anderem um mögliche Beschwerdemechanismen von Mitarbeitern in Unternehmen sowie die Frage des Umgangs mit autoritären Staaten drehte, machte deutlich, dass pragmatische unternehmerische Entscheidungen gefragt sind, die nicht nur die Menschenrechte, sondern auch das Überleben der Unternehmen sichern.

Mut zur Transparenz bei der Berichterstattung machte den Teilnehmern Delia Kaiser, Nachhaltigkeitsbeauftrage der DZ Bank. So gehören Nachhaltigkeit und langfristiges Wirtschaften zusammen, weshalb bei einer Kreditvergabe nicht nur die Bilanz geprüft werde, sondern auch die Frage nach ökologischen und sozialen Risiken. Die Nachhaltigkeitsprüfung sei daher logischer Bestandteil der Kreditvorlage. Dazu habe die DZ Bank sektorspezifische Richtlinien, jedoch noch keine spezifischen Richtlinien für die chemische Industrie. Sie appellierte vor allem an mittelständische Unternehmen, Informationen öffentlich abrufbar zu machen, und betonte die Notwendigkeit, die Orientierung an Nachhaltigkeitsstandards im Management zu verankern. Die anschließende Diskussion zeigte, dass ein Zusammenhang besteht zwischen Kreditvergabe bzw. Nichtvergabe und Nachhaltigkeit.

BEI NACHHALTIGKEIT GEHT ES UMS KERNGESCHÄFT

Bei Nachhaltigkeit rede man nicht über Spenden und Sponsoring, sondern über das Kerngeschäft, betonte Dr. Eckhard Koch vom VCI. Allerdings müsse das Recht der Stakeholder auf Information in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand in den Unternehmen stehen. Nachhaltigkeitsberichterstattung bedeute auch, über negative Trends zu informieren und sie zu kommentieren sowie den Dialog mit Anspruchsgruppen frühzeitig zu suchen. Auch wenn die Nachhaltigkeitsberichterstattung freiwillig sei, mache es Sinn, in die Berichterstattung einzusteigen. Eine transparente Berichterstattung mit relativ wenig Aufwand sei möglich, da in den Unternehmen bereits viel Datenmaterial vorhanden sei. Sein Überblick über verschiedene Standards sowie die gesetzliche Entwicklung verdeutlichte die mögliche Bandbreite für die Berichterstattung durch die Unternehmen.

GÄNGIGE STANDARDS: DNK UND GRI

Arved Lüth, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens response zeigte auf, wie ein Nachhaltigkeitsbericht nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) mit Hilfe des DNK-Leitfadens erstellt werden kann. Diese Berichtsart sei insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen gut geeignet und lasse sich hervorragend in der Kommunikation als eine Art „Gütesiegel“ nutzen. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der den Kodex entwickelt hat, könne Nachbesserungen bei eingereichten Berichten einfordern oder Berichte ablehnen. In der anschließenden Diskussion wurde unter anderem die Frage nach Art und Umfang geforderter Nachbesserungen sowie Ablehnungen diskutiert. Historisch gesehen sei in den ersten Jahren die Schwelle eher niedrig gewesen, so Lüth, steige aber kontinuierlich an.

Wie man in sieben Schritten zu einem Bericht nach den Berichtsstandards der Global Reporting Initiative (GRI) kommen kann, zeigte Steffen Schwartz vom Forum für Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft, econsense, und Senior Manager Nachhaltigkeit bei Thyssen Krupp. Er erläuterte die neuesten GRI-Leitlinien sowie die unterschiedlichen Möglichkeiten der Nutzung, die von der vollständigen Anwendung (comprehensive) über die vereinfachte Anwendung (core) bis zur ausschließlichen Referenznutzung reichen. Wesentlichkeit eines Themas für die Stakeholder und das eigene Unternehmen sei beim GRI-Bericht das Grundprinzip. Dabei müsse man sich darüber klar sein, dass dies für jeden etwas anderes bedeute. Mit Blick auf die zahlreichen Standards riet Schwartz zu einem entspannten Umgang mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Unternehmen sollen es als Chance begreifen und denjenigen Standard auswählen, der am besten passe. Auf Nachfrage erläuterte er, dass das interne Management sehr umfangreich sein könne und riet den Unternehmen, erst einmal klein anzufangen. Viele der notwendigen Informationen liegen ohnehin in den Unternehmen vor.

Aus der Praxis

Bei der Berichterstellung hat das Datenmanagement eine zentrale Bedeutung, da Nachhaltigkeit messbar sein soll. Dr. Manfred Heil, CEO des Softwareunternehmens WeSustain, stellte eine Softwarelösung vor, die sich insbesondere als Einstiegsmodell für kleine und mittlere Unternehmen eigne und zeigte exemplarisch, wie man die hohe Komplexität der Daten bewältigen könne. Der im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales entwickelte CR-Kompass sei für kleine und mittlere Unternehmen kostenfrei. Mehr als einen Internetanschluss brauche man nicht, um mit diesem Instrument zu arbeiten. Die anschließende Diskussion drehte sich insbesondere um die Frage, wie die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht Ende 2016 aussehen könne. Dabei wurde deutlich, dass derzeit noch alles im Fluss ist und mit dem Referentenentwurf erst Anfang 2016 zu rechnen sei.

Zum Abschluss der Veranstaltung berichtete Cornelia Stanke, Referentin für Nachhaltigkeit bei der Sika Deutschland GmbH, aus der Praxis. Neben den einzelnen Meilensteinen bis zum GRI-Bericht (core level) erläuterte sie die Herausforderungen bei der Erstellung. So seien zwar viele Daten bereits vorhanden gewesen, allerdings seien sie weder aufbereitet noch verifiziert gewesen. Da die Datenqualität jedoch über die Qualität des späteren Berichts entscheide, sei eine Verifizierung unbedingt notwendig. Als Hilfestellung für alle Beschäftigten, die an der Datenerhebung mitwirken, habe Sika einen internen Leitfaden entwickelt, in dem auch mögliche Fehlerquellen behandelt würden. Als Vorteil für ihr Unternehmen sieht Stanke insbesondere die internationale Anerkennung der GRI-Berichterstattung. In der anschließenden Diskussion erläuterte Stanke, dass der GRI-Bericht andere Berichte etwa zu Fragen des Umweltschutzes ersetzt habe. Es laufe nichts mehr parallel. Inzwischen sei der GRI-Bericht gut im Unternehmen implementiert, zu Beginn sei aber viel Überzeugungsarbeit gegenüber der Belegschaft notwendig gewesen. Mittelfristig wolle man den Bericht weiter verfeinern und damit vom core-Level zum comprehensive-Level kommen.

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