DER NATÜRLICHE KREISLAUF
Bei der Erweiterung des Betriebsgeländes im schwäbischen Biberach setzt Boehringer Ingelheim konsequent auf die Versickerung von Regenwasser. Das ist ökologisch sinnvoll und steigert die Attraktivität des Standorts.
Das Gebäude D123 ist längst nicht so nüchtern, wie es der Name vermuten lässt. Im Innern erstreckt sich ein großes Atrium, das in seiner abgestuften Bauweise an ein antikes Theater erinnert. Für die knapp 400 Wissenschaftler und Angestellten des Geschäftsbereichs Medizin, die hier ihre Büros haben, ist es ein beliebter Aufenthaltsraum. „Im Sommer treffen sich viele aber lieber draußen“, weiß Michael Mohn. Und der Grund dafür ist ihm als Gewässerschutzbeauftragten am Standort Biberach plausibel. Um das Gebäude herum erstrecken sich weitläufige Gewässermulden, die von viel Grün umgeben sind.
Hier können die Mitarbeiter in der Mittagspause wunderbar die Sonne genießen. Die hübsche Außengestaltung ist allerdings nur ein Zusatznutzen. „Wenn es regnet, nehmen die Mulden das Regenwasser der Dachflächen auf“, erläutert Mohn den eigentlichen Zweck. Hier bleibt das Wasser stehen und kann langsam in den Boden einsickern.
Sauberes Wasser muss nicht geklärt werden
Regen sollte möglichst dort im Boden versickern, wo er vom Himmel fällt. Schließlich ist dies der Kreislauf der Natur. Pflanzen und Lebewesen im Boden erhalten das benötigte Wasser, und in tieferen Erdschichten kann sich immer wieder neues Grundwasser bilden, das für sauberes Trinkwasser zur Verfügung steht.
Je mehr Flächen allerdings bebaut werden, desto weniger Niederschlag kann in den Boden eindringen. Dort, wo der Niederschlag auf Dächer, Straßen und Plätze fällt, wird er über das Kanalisationssystem abgeführt.
Das ist aufgrund der dafür notwendigen Investitionen nicht nur teuer: Das weitgehend saubere Regenwasser steht der Natur nicht mehr zur Verfügung und muss oft unnötigerweise durch Kläranlagen geführt werden. Und das vielleicht größte Problem: Bei Starkregen sorgt das von den versiegelten Flächen schnell abgeführte Wasser dafür, dass sich an Bächen und Flüssen Hochwasser entwickelt beziehungsweise verstärkt.
Versickerung ist gut
Stadtplaner fordern schon seit Jahrzehnten, mehr Regenwasser vom Kanalisationssystem fernzuhalten und stattdessen versickern zu lassen. Das kann über unsichtbare technische Konstruktionen unter der Oberfläche gelöst werden oder, wie in Biberach, in Form offener Mulden, die in die Außengestaltung eines Gebäudes einbezogen werden.
Um D123 sind über 1500 Quadratmeter an Sickermulden für das Gebäudedach und sonstige versiegelte Flächen angelegt. Dabei wechseln sich kleine Wasserflächen mit bepflanzten Randbereichen ab. Nach stärkeren Schauern steigt der Wasserspiegel natürlich an. Dann verteilt sich das Wasser über die miteinander verbundenen Sickermulden. Und sollte es doch einmal besonders intensiv regnen, kann der benachbarte Flusslauf der Riß über einen Abfluss Wasser aufnehmen. Angst vor Überschwemmungen auf dem Gelände muss man also nicht haben.
Ein erfolgreiches Experiment, das fortgesetzt wird
Das Gebäude mit dem praktischen Versickerungskonzept entstand 2006 im Rahmen der Werkserweiterung Nord. Die Erfahrungen damit sind durchweg positiv, wie Michael Mohn berichtet. Als Konsequenz daraus beschäftigt sich Boehringer Ingelheim auch bei zukünftigen Erweiterungen und Bauvorhaben intensiv mit dem Thema. Neue Parkflächen werden nicht mehr komplett versiegelt, sondern mit einem wasserdurchlässigen Schotterbelag versehen. Zwischen den Stellflächen nehmen auch hier kleine Mulden das Wasser auf, das nicht direkt auf dem Schotter oder der Zufahrt versickern kann.
Nicht alle Verkehrsflächen eignen sich jedoch dazu, das Regenwasser versickern zu lassen. Auf dem Parkplatz mit Privat-Pkws der Angestellten ist das kein Problem. Doch ein Industriestandort, an dem mehr als 5000 Mitarbeiter forschen und biopharmazeutische Arzneimittel produzieren, besitzt Logistikflächen, auf denen auch mit Gefahrstoffen hantiert werden muss. Wo Lkws fahren sowie be- und entladen werden, wird das abfließende Regenwasser über Zwischenspeicher geführt, um Schmutzstoffe auszufiltern. Bei geringsten Unregelmäßigkeiten oder sobald ein Sensor ungewöhnliche Werte meldet, wird das Regenwasserkanalsystem für diesen Bereich sofort abgeschottet.
Doppelter Nutzen
Für den Standort Biberach hat sich die Beschäftigung mit dem Thema Wasser in mehrfacher Hinsicht gelohnt. Zum einen hat Boehringer Ingelheim auf diesem Weg das Firmengelände gestalterisch aufgewertet – und damit dessen Attraktivität für die Mitarbeiter gesteigert. Zum anderen leistet das Unternehmen durch klugen Umgang mit der Ressource Wasser einen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit. Diesen Einsatz hat man mit anderen Projekten verknüpft. Das verstärkt den ökologischen Gesamtnutzen und erhöht das Ansehen des Unternehmens in der Region. So hat Boehringer Ingelheim den Teil der Riß, der durch das Werkgelände fließt, in Zusammenarbeit mit Stadt, Behörden und Naturschutzverbänden renaturiert. Der kleine Fluss bildet heute wieder ein naturnahes Auengebiet. In der vielfältigen Wasserlandschaft sind viele Vogel- und Insektenarten heimisch geworden. Rund um das Element Wasser hat das Unternehmen damit ein Beispiel nachhaltiger und vielfältig wirkender Standortentwicklung realisiert.
DIES IST EIN GOOD-PRACTICE-BEISPIEL ZU DEN LEITLINIEN 8 und 10:
Die Unternehmen und Beschäftigten der chemischen Industrie setzen sich weltweit für den Schutz von Mensch, Umwelt und biologischer Vielfalt ein. In einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess haben sie ihre eigenen Prozesse und den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte im Blick. Dabei räumen sie der Produkt- und Anlagensicherheit sowie der kontinuierlichen Prozessoptimierung einen hohen Stellenwert ein und handeln im Sinne von Responsible Care. Mit einer frühzeitigen Risikoabschätzung tragen die Unternehmen dazu bei, dass mögliche Sicherheitsrisiken ihrer Produkte und Verfahren entdeckt und vermieden werden können. Bei der Nutzung von biologischer Vielfalt für biotechnologische und pharmazeutische Innovationen suchen die Unternehmen nach Wegen, die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Belange in Einklang zu bringen.
Als verantwortliche Nachbarn engagieren sich Unternehmen und Beschäftigte für eine nachhaltige Entwicklung an ihren nationalen und internationalen Standorten. Sie sind aktive Partner der regionalen Akteure und setzen sich für eine hohe Lebensqualität und ehrenamtliches Engagement in ihrer Region ein. Insbesondere fördern sie Zukunfts- und Bildungschancen junger Menschen.
Erfolgsfaktoren für den Beitrag zur Leitlinie
- Das versickerte Regenwasser entlastet die Abwasserinfrastruktur und reduziert die Gefahr von Hochwasser im angrenzenden Fließgewässer beziehungsweise in der Region Biberach.
- Mit der Renaturierung der Riss im Bereich des Werksgeländes hat das Unternehmen einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz in der Region geleistet. In der Auenlandschaft sind wieder vermehrt Vögel- und Insekten heimisch.
- Die Mitarbeiter erhalten ein ansprechendes Arbeitsumfeld mit erholsamem Aufenthaltsbereich im Freien.
- Die Zusammenarbeit mit anderen lokalen Projekten und Behörden schafft Synergien und erhöht den Stellenwert des Unternehmens in der Region.
Über das Unternehmen
- Boehringer Ingelheim ist ein unabhängiges, forschendes und produzierendes pharmazeutisches Unternehmen.
- Die Schwerpunkte des 1885 gegründeten Unternehmens liegen in der Forschung, Entwicklung, Produktion und im Marketing neuer Medikamente.
- Boehringer Ingelheim zählt zu den weltweit 20 führenden Pharmakonzernen.
- Der Konzern sowie 140 verbundene Unternehmen auf allen Kontinenten beschäftigen 47000 Mitarbeiter. In Deutschland sind rund 14000 Mitarbeiter tätig.
- Der Standort Biberach an der Riss ist der Campus für Forschung, Entwicklung und Biotechnologie. Hier arbeiten über 5000 Beschäftigte.
- An allen Standorten legt das Unternehmen Wert auf hochwertige Industriearchitektur und ein lebenswert gestaltetes Arbeitsumfeld.