Unter Verschluss

Datum: 10. Oktober 2014

Eine innovative Dichtung von ACTEGA DS hilft Getränkeabfüllern, tausende Tonnen Stahl für ihre Kronkorken einzusparen.

Klein, rund und gezackt – mehr weiß der Laie über den gemeinen Kronkorken kaum zu sagen. Waldemar Eichler geht das anders: „Ich könnte tagelang mit Ihnen über Kronkorken schnacken“, sagt er. „Das ist eine Welt für sich.“ Eine Welt, in der sich der Chemieingenieur bestens auskennt. Eichler arbeitet in der Entwicklungsabteilung bei der ACTEGA DS GmbH. Das Unternehmen mit Sitz in Bremen gehört zur ALTANA AG und produziert in erster Linie Dichtungen für Lebensmittel- und Getränkeverpackungen – vom Marmeladenglas bis zur Bierflasche.

In enger Kooperation mit den Kunden hat ein Team des Unternehmens nun wieder bewiesen, wie die Chemie mit ihren Innovationen Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung leistet: Dank einer neuen Dichtmasse werden Kronkorken dünner und der Bedarf an Stahl kleiner. Diese Ressourceneinsparung bringt neben ökologischen auch wirtschaftliche Vorteile – steigende Materialpreise waren hier für alle Beteiligten die treibende Kraft.

In Gesprächen auf Messen oder beim Kunden nahmen Mitarbeiter immer wieder auf, dass Verschlusshersteller, Abfüller und Brauereien Stahl sparen wollen. Hier waren anscheinend Grenzen erreicht, zumindest wenn man bei der Produktqualität keine Einschränkungen hinnehmen will. Deshalb verließen die Dichtungsexperten ausgetretene Pfade: „Jahrzehntelang ging der Trend zu immer dünneren Glasflaschen“, erklärt Véronique Monneraye, Eichlers Kollegin aus dem Technischen Service. Sie ist Mitglied im Masterplanteam, das sich um die Bearbeitung konkreter Markttrends kümmert. Dem Masterplanteam des Unternehmens gehören außerdem Forscher und Entwickler sowie Experten aus Marketing und Vertriebsmannschaft an. 

Monneraye weiß genau, was die Kunden umtreibt: „Weil die minimale Wandstärke ausgereizt ist, widmet man sich heute verstärkt dem Kronkorken.“ 

Echte Nehmerqualitäten

Seit der Amerikaner William Painter ihn vor gut 120 Jahren zum Patent anmeldete, hat sich am Prinzip des Kronkorkens kaum etwas verändert. Ein Blech von etwa einem Viertel Millimeter Stärke umschließt die Flaschenmündung, eine Dichtmasse unterm Deckel hält den Inhalt in der Flasche und Verunreinigungen draußen. „Diese Dichtmasse macht den Unterschied“, erklärt Eichler. „Früher war es Kork, heute Kunststoff.“ Der hat echte Nehmerqualitäten. Er muss flüssigkeitsdicht und auch möglichst undurchlässig für Sauerstoff sein – zudem langlebig, flexibel und absolut lebensmittelecht. Und das alles bei gut 70 Grad Celsius während der Pasteurisierung genauso wie im Hochseecontainer oder später im Kühlschrank.

Eine solch etablierte Technik ganz neu anzugehen, ist nicht ohne Risiken. „Getränkehersteller haben extrem hohe Anforderungen“, sagt Eichler. „Ehe die ganz großen Kunden eine neue Dichtmasse einführen, werden teilweise Trucks mit Flaschen beladen und von Mexiko bis nach Alaska geschickt, um zu testen, was die Verschlüsse halten. Und trotzdem müssen die Flaschen von jedem Kind und jeder Oma zu öffnen sein.“ Entsprechend wichtig war es für das Team aus Bremen, mit ihrer Lösung jede vermeintliche Kleinigkeit entlang des Produktlebens zu beachten.

Das Problem: Dünnere Kronkorken verformen sich leichter, etwa wenn Flaschen beim Transport zusammenstoßen. Diese Bewegung im Deckel muss eine Dichtmasse ausgleichen. Die Lösung: eine leistungsfähigere, weichere und flexiblere Dichtung.

42 Milliarden gute Gründe

Gemeinsam mit Kronkorkenherstellern und einer der größten Brauereien der Welt entwickelte die ACTEGA aus der Idee eine fertige Anwendung. Eine der Herausforderungen war, dass unsere Lösung in den bestehenden Maschinen funktionieren muss“, erklärt Marktkennerin Monneraye. „Die Branche hat stark in ihre bestehenden Anlagen investiert.“ Diese Anlagen produzieren zwischen 2.500 und 5.000 Kronkorken pro Minute. „Das muss auch mit jeder neuen Dichtmasse möglich sein.“

Wie viel Stahl lässt sich aber mit der neuen Dichtung einsparen bei einem Kronkorken, der selbst kaum mehr als zwei Gramm wiegt? Eine ganze Menge wie sich zeigt: Die beteiligte Brauerei verwendet allein jedes Jahr 42 Milliarden Kronkorken. Dank der neuen Dichtung können die nun 0,07 Millimeter dünner und damit 0,3 Gramm leichter sein. Das Ergebnis: Zehn Prozent weniger Stahlverbrauch. Das macht für den beteiligten Kunden allein rund 10.000 Tonnen Einsparung pro Jahr – genug für fast anderthalb Eiffeltürme.

Die Arbeit hat sich gelohnt: „Unsere Entwicklungspartner stellen die Produktion gerade länderweise um“, erklärt Monneraye. Und es haben sich bereits weitere Abfüller nach dem neuen Produkt erkundigt. Potenziell ließen sich weltweit hunderttausende Tonnen Stahl sparen. Für die Tüftler aus Bremen kein Grund sich zurückzulehnen. Häufig sind Eichler, Monneraye und ihre Kollegen bei den Abfüllern vor Ort, schauen nach dem Rechten, lernen, wie Kunden die neue Dichtmasse einsetzen – und nehmen neue Ideen mit ins Labor. „Der Kronkorken ist noch lange nicht zu Ende erfunden“, sagt Eichler. Für sein Team und ihn hält die Chemie noch reichlich Neues bereit.

Wussten Sie schon?

  • Über 60% der Kronkorken in Europa werden mit Produkten von ACTEGA abgedichtet. In den USA ist es bereits jeder 2. Kronkorken. 

  • 42 Milliarden Kronkorken jährlich verbraucht alleine der erste Kunde der neuen Technologie. 

  • Gerade 0,07 Millimeter dünner sind die neuen Kronkorken. Dem entspricht etwa die Dicke eines Haares.

  • Rund 10.000 Tonnen Stahl pro Jahr hofft der beteiligte Kunde mit seinen dünneren Kronkorken einzusparen. 

Dies ist ein Good-Practice-Beispiel zu den Leitlinien 4 und 9:

Erfolgsfaktoren für den Beitrag zur Leitlinie

  • Das Innovationspotenzial liegt häufig an den Schnittstellen zwischen den Branchen. Hier ist der direkte Austausch entlang der Wertschöpfungsstufen gefragt.
  • Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt holen regelmäßig Hinweise zu den Bedürfnissen am Markt ein, die von verschiedenen Fachstellen bewertet werden.
  • Manche Ideen können erst unter neuen Rahmenbedingungen wirtschaftlich umgesetzt werden (hier: zwischenzeitlich gestiegene Stahlpreise). Darum lohnt manchmal ein Blick auf frühere Ansätze.  

Über das Unternehmen

  • Die ACTEGA DS ist ein Bremer Traditionsunternehmen mit gut 110 Mitarbeitern. Sie gehört seit 1995 zum Geschäftsbereich ACTEGA Coatings & Sealants der ALTANA AG.
  • Gegründet wurde das Unternehmen 1920 als Ölhandelsgesellschaft – damals unter dem Namen „Diersch & Schröder“, ehe man sich auf Dichtungsmassen spezialisierte.
  • ACTEGA DS produziert heute in erster Linie innovative Dichtungssysteme für Kronenkorken, Aluminium-, Metallvakuum- und Plastikverschlüsse.
  • Das Unternehmen beliefert die Abfüller und Produzenten namhafter Marken der Lebensmittelindustrie in über 100 Ländern weltweit.