Was ist Fortschritt?

„Fortschritt“ ist ein großes Wort. Alle, die es im Munde führen, beziehen sich auf eine irgendwie geartete positive Entwicklung. Etwas wird besser, steuert vielleicht einem bestimmten Ziel entgegen, verläuft linear. 

 

„Fortschritt“ ist aber auch ein vieldeutiges Wort. Jeder versteht etwas anderes darunter: was zum Beispiel „besser“ ist; welches Ziel für eine gegebene Entwicklung anzustreben ist; ob ein direkter oder ungerader Weg zum gewünschten Ziel führt – all das ist immer wieder Gegenstand von Debatten. Man macht sich angreifbar, wenn man von „Fortschritt“ spricht. Dies gilt insbesondere, wenn wir über Fortschritt im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sprechen. Bislang gibt es kein einheitliches Verständnis über „den Fortschritt in der Nachhaltigkeit“. So stellt sich die Frage, ab wann wir – die chemisch-pharmazeutische Industrie – nachhaltig sind: Sind wir es, wenn wir ein bestimmtes CO2-Emissionslevel in der Produktion unterschritten haben oder wenn unsere Produkte CO2-Emissionen einsparen? Wenn das Einkommensniveau unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein bestimmtes Niveau erreicht hat? Oder wenn unsere Firmen einen bestimmten Weltmarktanteil auf sich vereinen können?

 

Dennoch ist „Fortschritt“ ein notwendiges Wort. Indem die Nachhaltigkeitsinitiative Chemie³ den Begriff Fortschritt aufgreift, bekennt sich die Branche zu dem Anspruch, „besser“ werden zu wollen. Damit sind wir in der Pflicht, substanzielle Antworten darauf zu geben, was wir unter „besser“ im Sinne der Nachhaltigkeit verstehen werden. Der gegenwärtige gesellschaftliche Diskurs um eine nachhaltige Entwicklung kreist um die Frage: Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um, dass wir auch künftig leben, wirtschaften und arbeiten können?

 

Fortschritt ist messbar. Deshalb haben wir Indikatoren entwickelt. Diese spiegeln das Verständnis wider, nach dem in der Nachhaltigkeit ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichrangig betrachtet werden. Dies ermöglicht es uns, die Nachhaltigkeitsleistung der chemisch-pharmazeutischen Industrie abzubilden und Entwicklungen („Fortschritte“) zu messen. 

 

Fortschritt lässt sich nur im Dialog bestimmen. Die Indikatoren haben wir – Wirtschaftsverband, Gewerkschaft und Arbeitgeberverband – im engen Austausch miteinander und zusammen mit zahlreichen Fachleuten entwickelt sowie mit diversen Stakeholdern diskutiert. Denn für uns ist klar, dass sich Fortschritt – und wie man ihn messen kann –nicht einseitig, sondern nur im Dialog bestimmen lässt.

 

Fortschritt ist Voranschreiten. Wenn Nachhaltigkeit ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichrangig berücksichtigen soll, entstehen Zielkonflikte. Denn längst nicht immer lassen sich wirtschaftliche, ökologische und soziale Ansprüche ohne Weiteres miteinander vereinen. Oft gilt es, hier genau abzuwägen. Dies allein erschwert es, konkrete Branchenziele zu formulieren. Hinzu kommt, dass die Chemieindustrie heterogen ist. Ihre Sparten reichen von der Herstellung von Grundchemikalien bis zu Pharmazeutika. Deshalb setzen wir darauf, die Unternehmen dazu zu ermutigen, sich eigene Ziele zu setzen und so in der Gesamtheit aller Fortschritte zu erzielen. Fortschritt kann auch bedeuten, Entwicklungen transparent zu machen. Deshalb messen wir, wo wir stehen. Wir wollen herausfinden, wo wir besser werden können oder Korrekturen vornehmen müssen. Dies ermöglicht es uns, die bestehenden Widersprüche und Konflikte aufzubrechen und zu handeln. Fortschritt wird so zum praxistauglichen Voranschreiten. In anderen Worten: Wir sind als Branche auf dem Weg.