ZUSAMMENARBEIT IN INTERKULTURELLEN TEAMS

„Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten müssen in den Betrieben als das aufgenommen werden, was die Allermeisten sein wollen: Akzeptierte und gefragte Kolleginnen und Kollegen mit gleichen Chancen auf Einkommen und Weiterentwicklung.“

Mit diesen Worten begrüßte Petra Reinbold-Knape, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG BCE, die 80 Teilnehmer der Sozialpartner Fachtagung zum Thema kulturelle Vielfalt von BAVC, IG BCE, VCI und CSSA. Sie fand unter dem Dach von Chemie³, der Nachhaltigkeitsinitiative der deutschen Chemie statt. Allen war klar, dass ihre Debatten über interkulturelle Teams im Betrieb ganz viel auch mit den neuen Flüchtlingen zu tun hat. Auch sie wollen in Deutschland arbeiten. Arbeit wird damit wieder einmal zum Motor für Integration. Viele Tagungsgäste haben das selbst erlebt. Erfolgreich Zusammenarbeiten in Gruppen, deren Mitglieder aus unterschiedlichen Ländern kommen, das ist eine gute Erfahrung. Aber auch die gilt es zu gestalten.

Die Tagung stand ganz unter dem Motto des Dialogs und Austauschs. Paola Bruno, Prozess-Managerin bei Technoform Bautec im nordhessischen Fuldabrück, traute sich als erstes in die offene Diskussionsrunde. Die gebürtige Italienerin interessierte, vor welchen Migrationsherausforderungen die Chemische Fabrik Budenheim steht. Alexander Eichborn, Leiter Personalbetreuung, hat eine überraschende Antwort parat: „Wir beschäftigten im Werk in Budenheim 700 Mitarbeiter aus 20 Nationen, Migrationsprobleme haben wir keine.“ Wer in der Schicht mitarbeitet, seine Aufgaben erledigt, zum Teamerfolg beiträgt, das ist wichtig. „Der Migrationshintergrund des Beschäftigten ist völlig nebensächlich“, ergänzt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Daniel Jost.

Bei allen Integrationsbemühungen in der Branche setzt Klaus-Peter Stiller, Hauptgeschäftsführer des BAVC, auf Vielfalt als Stärke: „Integration bedeutet, dass wir bei allen Unterschieden ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem jeder seine Stärken ausspielen kann und dadurch die Ergebnisse noch besser werden. Gleichmacherei, die wollen wir nicht.“

Ja, es kommt darauf an die Unterschiedlichkeiten im betrieblichen Alltag zu managen, bestätigt Swetlana Franken, Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Personalmanagement an der Fachhochschule in Bielefeld. Für sie hat das Diversity-Management längst den Hype-Status, ein schickes Thema zu sein, verlassen. „Es ist eine Realität, eine notwendige Selbstverständlichkeit in jedem Unternehmen“. Der demographische Wandel, „wir werden weniger, älter und bunter“, zwingt zum Handeln. „Wir müssen verstehen, dass Unterschiede positiv zu werten sind. Das was anders ist, ist nicht schlechter. Was mir fremd ist, ist keine Bedrohung“, so die Botschaft der Wissenschaftlerin.

Das Diversity eine Managementaufgabe ist, zeigt auch der Diskussionsbeitrag von Ali Özbay von der RAG Deutsche Steinkohle aus Marl. Während des Ramadan-Monats gab es bei den muslimischen Mitarbeitern einen deutlich höheren Krankenstand. „Wir haben deshalb ganz gezielt unsere Urlaubsplanung angepackt. Die Christen gehen gerne in der Weihnachtszeit in Urlaub, Muslime nutzen den Fastenmonat“, berichtet Özbay.

„Kann man Muslimen nicht komplett andere Schichtmodelle anbieten?“ wollte Stefan Diegler, Betriebsrat bei Technoform Bautec, wissen. Ziya Yüksel von der BASF, gebürtiger Türke und Vertrauensmann der Schicht A, ist da skeptisch. Er verweist darauf, dass die Ramadan-Zeit tageweise ausgesetzt werden kann. Auch Betriebsleiter Ulrich Köhler von der BASF beschäftigen die islamischen Lebensregeln. „Natürlich stecken wir niemanden, der den ganzen Tag über nichts getrunken hat, in einen Schutzanzug und lassen ihn drei Stunden lang in der Sonne Fässer abfüllen.“ Nachdenklich macht er allerdings auch klar, dass jede Sonderbehandlung ihre Grenzen hat. „Man hat dann ganz schnell eine Debatte über Gleichberechtigung und Gerechtigkeit“, berichtet Köhler.

Die Amerikanerin Diana Bursy, Trainerin für interkulturelles Management, lenkte mit Hilfe einer kurzen Gruppenübung den Blick der Teilnehmer auf die eigenen, in Summe doch sehr unterschiedlichen Werte. Für den türkisch-stämmigen Arbeitnehmer ist die Familie über alles bedeutsam. Für den deutschen ist die Zuverlässigkeit eine prägende Eigenschaft.

Vorangegangen ist der Fachtagung eine Branchenbefragung der Sozialpartner. „Es hat sich gezeigt, dass viele Betriebe schon die erste Frage, wie viele unserer Mitarbeiter haben einen Migrationshintergrund, nicht beantworten konnten“, berichtete Ulrike Rudolphi, zuständige Referentin bei der Chemie-Stiftung und Sozialpartner-Akademie (CSSA). Ob ein Migrationshintergrund vorliegt, wird von den Unternehmen nicht erfasst. Eine kreative Lösung konnte helfen: Auf einer Weltkarte markierten die Mitarbeiter die Herkunftsländer ihrer Familien. „Am Ende steht ein greifbares Bild davon, wie groß die kulturelle Vielfalt im Betrieb oder im Arbeitsbereich ist“.

Bei Merck in Darmstadt ist Vielfalt heute ganz hautnah erlebbar. Im Netzwerk der „International Community“ steht der informelle Austausch von Mitarbeitern, jenseits von Hierarchien und Joballtag, im Mittelpunkt. Ziel ist es neuen Kollegen, unabhängig von Ihrer Herkunft, den Start im neuen Umfeld zu erleichtern. Christian Burgemeister koordiniert im Team ehrenamtlich das Netzwerk aus aller Herren Länder.

Die zunächst sozial orientierte Gruppe, hat sich zu einem „handfesten Mehrwert für das Unternehmen“ entwickelt. Das Netzwerk ist mittlerweile wichtiger Ansprechpartner in interkulturellen Fragen für das Business, etwa bei einem Projekt zur Schulung von zukünftigen Facharbeitern einer neuen Merck Fabrik in China, in dessen Rahmen die chinesischen Kollegen in wenigen Monaten die Unternehmensstandards am Standort Darmstadt beigebracht bekommen. Das Beispiel Merck bestätigt für Eckhard Koch vom Verband der Chemischen Industrie: „Diversity-Management ist kein Gutmenschentum sondern geschäftsrelevant. Dies gilt es aufzuzeigen, um das Thema noch stärker in den Unternehmen zu verankern.“

Diese Erfahrung haben auch Vertrauensmann Ziya Yüksel und Betriebsleiter Ulrich Köhler von der Spezialamin-Fabrik der BASF in Ludwigshafen gemacht. Sie haben es in fünf Jahren geschafft, die Vielfalt der Beschäftigten in ihrem Bereich zu nutzen, um eine funktionierende Kommunikation und Beteiligung aufzubauen. „Wie arbeiten wir miteinander? Diese Frage interessiert auch den Schaffer, den Anpacker in der Produktion“, erinnert sich Yüksel an den nicht ganz einfachen Einstieg. Einmal im Monat ist jetzt eine Schichtinformation angesetzt, ein Ort um Erfahrungen auszutauschen, voneinander zu lernen.

Die Chemische Fabrik Budenheim, Merck und BASF sind drei Varianten, wie sich kulturelle Vielfalt im Betrieb als Chance anpacken lässt. „Die Vorteile interkultureller Teams sollten sich alle Betriebe erschließen. Dazu braucht es allerdings das Management der Vielfalt. Nur dann sind interkulturelle Teams auch erfolgreich“ betont Wissenschaftlerin Franken. Die Tagung in Wiesbaden hat gezeigt, kulturelle Vielfalt ist ein kostbarer Schatz. In vielen Betrieben schlummert er noch im Verborgenen. Ihn zu heben macht Arbeit, erfordert Phantasie und braucht einen langen Atem. Die Sozialpartner setzen dabei weiterhin auf ihre gute sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit. Bereits vor 7 Jahren haben BAVC und IG BCE die Sozialpartnervereinbarung zum Thema Diversity abgeschlossenen. Denn eins steht fest: Der Aufwand lohnt sich. „Vielfalt macht erfolgreich“, wie es Franken überzeugend formuliert.

 

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