Forum 2

Eine Herausforderung, aber kein unlösbares Problem: Unter Referenten und Teilnehmern des zweiten der beiden Nachmittagsforen mit dem Thema „Arbeiten 4.0 in der Chemie – Schreckenszenario oder Verheißung?“ überwog die Zuversicht, die absehbaren Veränderungen der Arbeitswelt erfolgreich gestalten zu können.

Die sonst oft gestellte Frage, wie viele Arbeitsplätze der Digitalisierung zum Opfer fallen könnten, spielte in dieser Runde keine besondere Rolle. Stattdessen ging es um praktische Aspekte: Wie organisieren wir künftig die Weiterbildung? Welche neuen Arbeitszeitmodelle müssen gefunden werden? Was kann der Beitrag der Politik sein?

Als erster von vier Impulsreferenten versuchte der Staatssekretär im Arbeitsministerium Björn Böhning (SPD) dem Eindruck entgegenzuwirken, die Politik sei dabei, den Wandel zu „verschlafen“. Er sprach von einer Denkfabrik seines Hauses „für die digitale Arbeitsgesellschaft“, in der Beiträge der Sozialpartner willkommen seien, und nannte unter den zentralen Herausforderungen in erster Linie ein neues Leitbild der Arbeitszeit. Globalisierung und Digitalisierung erforderten mehr Flexibilität in den Betrieben, andererseits sei es der Wunsch vieler Beschäftigter, ihre Arbeitszeiten wechselnden Lebenslagen anzupassen. Hier seien die Sozialpartner aufgerufen, zu flexiblen Lösungen zu gelangen. Zudem gelte es, die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer durch stete Weiterbildung zu erhalten und die sozialen Sicherungssysteme der flexibleren Arbeitswelt anzupassen.

Der seit April 2017 amtierende Chef der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele legte den Nachdruck auf die im Zeichen der Digitalisierung wachsende Notwendigkeit lebenslangen Lernens und empfahl seine Behörde dabei als „Berater und Finanzier“. Allerdings gehe es nicht um Weiterbildung nach dem Gießkannenprinzip. In erster Linie liege es an der „Eigenmotivation“ jedes Arbeitnehmers, dafür zu sorgen, dass seine Qualifikation auf der Höhe der sich wandelnden Anforderungen bleibe. Eine gezielte Unterstützung der Bundesagentur komme in solchen Fällen Beschäftigten und Betrieben gleichermaßen zugute.

Katrin Roßnick, Betriebsratsvorsitzende des in Hannover ansässigen Pharmaherstellers Mylan Healthcare, mahnte eine „Rahmenarbeitszeit“ für die durch Globalisierung und Digitalisierung veränderten Betriebsabläufe an, die den Ansprüchen der Beschäftigten an Verlässlichkeit gerecht werde. In ihrem Unternehmen, dessen Mutter in den USA sitzt, gehören Kontinente und Zeitzonen übergreifende Schaltkonferenzen längst zum Alltag. Sie finden oft zu für deutsche Arbeitnehmer unüblichen Zeiten statt. Unter anderem für solche Fälle müssten Regelungen gefunden werden.

Für flexiblere Arbeitsmodelle plädierte auch Dirk Harhoff von der Bayer AG. Im Verhältnis zwischen Beschäftigten und Unternehmen gehe es darum, persönliche und betriebliche Anforderungen in Einklang zu bringen. Harhoff sprach von einem notwendigen kulturellen Wandel in der Arbeitswelt. Mehr Flexibilität sei ein gemeinsames Anliegen der Sozialpartner. Die Frage sei, wie es sich realisieren lasse.

Im zweiten Teil der Veranstaltung berichteten Francesco Grioli vom geschäftsführenden Hauptvorstand der IGBCE und Ariane Reinhart, Personalvorstand der Continental AG und BAVC-Vorstandsmitglied, über den Stand des im vorigen Jahr aufgenommenen Dialogs der Chemie-Sozialpartner zur Arbeit der Zukunft. Nach ihren Worten haben die Beteiligten zunächst vier von den Folgen der Digitalisierung besonders betroffene Handlungsfelder identifiziert, nämlich Unternehmensführung, Gesundheit, Arbeitszeit und Qualifizierung. Bereits jetzt habe der „offene Dialog im geschlossenen Raum“ innovative Ideen für die Chemie-Arbeitswelt von morgen produziert.